Endlich ist die DVD draussen, samt zwei Stunden Bonus-Material. Die DVD ist vorläufig nur für Kunden aus der Schweiz erhältlich. Was die DVD enthält und wo Sie weitere Informationen finden:
DOKUMENTARFILM-PAMPHLET
Auf der ersten Scheibe findet sich das filmische Pamphlet Dokumentarfilm – Eine Anleitung Das war 1995 ein Beitrag für die News-Sendung 10vor10 gelegentlich der Filmtage Solothurn. Im Visier hatte ich nicht nur die Filmtage, die ich als damals als unglaublich verstaubt empfand, sondern konkret den engagierten Schweizer Filmemacher Richard Dindo. Für einen der 1980 ziemlich jung bei den Jugendunruhen mittat, war sein Kino-Aktenzeichen XY-Film „Dani, Renato, Mich & Max“ (1987) über vier Jugendliche aus dem Umfeld der Bewegung, an deren Tod die Behörden mindestens Mitschuld waren, noch eine Offenbarung gewesen. Bei seinem Che-Guevara-Film von 1994 schien er mir aber schon nur noch ein Abgreifer und platter Profiteur, dito bei seinem Grüninger-Film. Dindo dreht einen Strauch in Bolivien. Dazu hören wir ein wenig bolivianisches Tagebuch. Dindo filmt einen anderen Strauch. Ein wenig mit Dindo versöhnte mich Marianne Fehrs Biographie über Niklaus Meienbeg,, in der Dindo eine Rolle spielt und die noch einmal detailliert schildert, wie grauenhaft verkrampft die Kaltkriegsschweiz der 70er war und wie mühsam eine Existenz als kritischer Kulturmensch war. (Was andererseits die Folie gab, die den Glorienschein der Dissidenz ermöglichte).
Als ich die Anleitung fabrizierte lebten meine beiden Eltern noch, der Herr von dem ich vorgebe, er sei mein Vater ist der Satiriker Karl Kraus, bei dem ich via Eckahrd Henscheid landete. Beide bis heute prägend, beide selbst gewählte Vaterfiguren.
Auf der DVD ist das Pamphlet, weil ich fast alles, worüber ich mich darin mokiere in den Mulden selber mache: Ich spreche den Kommentar selber. Ich stelle Fragen. Ich verfilme meine toten Eltern.
SIE FRAGEN, WIR ANTWORTEN
Weil ich mit den Mulden in der Schweiz und an Festivals häufig aufgetreten bin, weiss ich ein wenig, was für Fragen sich stellen. Grob geht es um drei Gebiete: Fragen zum Thema Messie, zu meiner Familie und meinem Umgang damit. Es sind meistens in etwa die gleichen Fragen und allesamt sind auf der DVD nochmals beantwortet, ausserdem sind meiner kritischen (und perfekt dreisprachigen) Interviewerin Gesa Schneider noch ein paar dazu eingefallen.
Erst am Schnitttisch für die DVD ist mir aufgefallen: Hätte ich keine Bonus-DVD gemacht, ich hätte meinen Bruder wohl nie gefragt, wie er dazu stand, als ich mit dem Film begann. Gefragt hätte ich ihn nämlich nie. Und weil der kubanische Musiker Flavio Arias Diaz, der im Film aufräumen hilft, inzwischen im Restaurant meines Bruders arbeitet, habe ich auch gleich noch schnell nachgefragt.
PATRICK FREY
Von allen DVD-Besprechern belobigt wurde das Gespräch mit Patrick Frey. Der Mann ist ein ebenso kluger wie charmanter Hans-Dampf-in-vielen Gassen, Kunstkritiker, Mäzen, Schauspieler, Komiker, Verleger, Essayist etc. pp. Da kommt natürlich materialmässig so einiges zusammen. Und pikant ist das Gespräch, weil Frey einerseits dem Künstler Dieter Roth nahe stand, bei dem das Sammeln und Horten Kunstprozess war, weil er andererseits gegen seine eigenen Messie-Tendenzen kämpft.
ALLERLEI
In „10 Tricks, die wir mögen“ zeigen mein Cutter Daniel Cherbuin und ich wie wir arbeiten und vor allem, wie wir Humor erzeugen. Das kurze Stück ist mein Liebling au der DVD. Munter ist auch der Clip zum Lululied,, dass es auch noch als Karaoke-Version gibt. Und weil wir am Schnittplatz merkten, wie beruhigend es ist, der fixen Kameraeinstellung zuzusehen, die vom Dach aus dreht, wie wir Sachen in die Mulden werfen, haben Cherbuin und ich uns noch die Ausschweifung erlaubt, ausgangs die Muldenmeditation, von der wir lange gesprochen haben, anzuhängen.
DAS THEMA MESSIE
Was bei all den Gesprächen und Korrespondenzen rund um den Film deutlich wurde: Das Phänomen Messie ist häufiger verbreitet, als es gemeinhin den Anschein macht. Und der Klärungsbedarf ist nach wie gross. Deshalb kommen drei führende Spezialisten zu Wort.
DR.MED. THOMAS KNECHT, LEITENDER ARTZ KLINIK MÜNSTERLINGEN
Dr.med.Thomas Knecht, leitender Arzt Bereich Sucht und Forensik an der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen im Thurgau. Seine Erfahrungen und den Versuch einer definitorischen Klärung des Begriffs Messie bzw. wie Knecht vorschlägt, Diogenes Syndrom, findet sich auch in seinem Fach-Aufsatz „Das Diogenes-Syndrom“.
LIC.PHIL. HEINZ LIPPUNER KLINISCHE PSYCHOLOGIE UND PSYCHOTHERAPEI FSP
Einer der interessantesten Gesprächspartner zum Thema Messie ist der Psychoanalytiker lic. phi. Heinz Lippuner. Lippuner war beratend bei der Gründung von Selbsthilfegruppen aus vielen Bereichen tätig, bis er eine Messiegruppe in Gründung betreute. Das war anders als bei anderen Selbsthilfegruppen und Lippuner weiss nicht nur über das individuelle Leiden von Messies zu berichten, sondern erklärt auch kritisch, wie es zur Spaltung der Messie-Selbsthilfebwegung kam und wer warum welche Absichten verfolgt.
DR. MED. RAINER REHBERGER, AUTOR UND ANALYTIKER
Ausfühlrich zu Wort kommt der deutsche Psychoanalytiker Dr. med. Rainer Rehberger, der seit längerem Messies behandelt und die Ursache für Messieverhalten in der frühen Kindheit ansiedelt. Seinen Ansatz erklärt Rehberger in seinem Fachbuch „Messies – Sucht und Zwang“ und in dem Aufsatz „Bindung, Angst und Desorganisation und das Messiesyndrom“. Interessant ist bei Rehberger auch, dass er den Begriff des Messies nicht nur anwendet auf Leute, die Sachen horten, sondern erklärt, dass die gleichen Personen oft unfähig seien, Termine einzuhalten, weil sie sich unbewusst gegen den Zwang etwas tun zu müssen, auflehnen würden. Das nennt er Zeit-Messie.
Wenn ich mich recht erinnere, traf das auch auf meine Mutter zu.
Die DVD gibt es im Fachhandel, im Zürcher Restaurant meines Bruders oder hier via diesen Link. In Deutschland und Österreich ist die DVD erst nach der Kinoauswertung erhältlich.